EURO am Sonntag: Vectron-Aktie kaufen

02. Mai 2004

Das derzeit auflagenstärkste deutsche Anlegermagazin, die EURO am Sonntag, hat sich in Ihrer Ausgabe Nr.18 am 02. Mai 2004 auch mit der Vectron/Hansa Fusion beschäftigt. Redakteur und Aktienspezialist Tobias Meister verweist auf Spekulationen, die Vectron-Kurse von mehr als drei Euro sehen:
Vectron: So klingelt die Kasse wieder
Vectron war mal eine der ganz heißen Nummern am Neuen Markt. Nach dem Absturz kommt nun erneut Hitze in die Aktie. Die Hintergründe.
Häme wurde über Vectron kübelweise ausgeschüttet. Ein Hersteller von Kassensystemen, bei dem absolute Ebbe in der Kasse herrscht, darf nichts anderes erwarten. Auf dem Höhepunkt des Neuen Marktes notierte die Aktie über 21 Euro. 25 Cent waren es im folgenden Tief. Inzwischen ist der Spott verstummt. Grund: Vectron soll mit der Duisburger Hansa Chemie verschmolzen werden. Das macht das krisengeschüttelte Unternehmen urplötzlich wieder interessant. Auf dem Parkett wird die Vectron-Aktie jedenfalls schon als neuer Kassenschlager gesehen. Seit Anfang April ist der Kurs von einem Euro auf 1,77 Euro gestiegen.
Doch was hat ein mittelständisches Chemie-Unternehmen mit 125 Mitarbeitern, das hauptsächlich Tenside, also Grundstoffe für Wasch- und Reinigungsmittel produziert, mit einem Hersteller von Kassensoftware zu tun? Ganz einfach: Die Duisburger gehören der Hansa Chemie International, einer Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Zürich, die aktuell 44,12 Prozent der Vectron-Anteilsscheine hält.
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Dass diese sich ausgerechnet an einem angeschlagenen Anbieter von Kassensystemen beteiligen, hat eine ganze Reihe von Gründen.
Zum einen bekommen sie günstig einen Börsenmantel, ein aufwendiger und zudem unsicherer Börsengang ist damit nicht mehr notwendig. Zudem erhalten sie ein Geschäft, das nach einer existenzbedrohenden Durststrecke offenbar wieder auf Touren kommt. "Viele Kunden orderten keine neuen Kassensysteme mehr, weil sie nicht wussten, wie lange es unsere Firma überhaupt noch gibt", erinnert sich Vertriebsvorstand Thomas Stümmler. Nachdem die Beteiligungsgesellschaft das Unternehmen entschuldet hat, ist diese Unsicherheit vom Tisch. "Wir spüren erstmals seit langem wieder eine Belebung", sagt Stümmler. Folge: 2004 wollen die Münsteraner wieder schwarze Zahlen schreiben. Auch Hansa Chemie schreibt schwarze Zahlen. Wie aus unternehmensnahen Kreisen zu hören ist, rechnen die Duisburger mit einem Nettogewinn von zwei Millionen Euro. Beide Geschäftssparten sollen auch nach der Verschmelzung getrennt voneinander fortgeführt werden.
Die Aktie wird zum Spekulationsobjekt - nicht nur wegen des wieder Profit abwerfenden Geschäftsmodells. Nein, die Hansa-Verantwortlichen haben mit der Aktie noch viel vor. "Vectron soll in den SDAX, um für institutionelle Anleger interessant zu werden", gibt Jochen Fischer, Kommunikations-Chef der Hansa- Gruppe, die Marschrichtung vor. Doch ganz so einfach geht´s natürlich nicht. Denn bislang stehen sich zwei ungleiche Partner gegenüber. So hat Vectron einen Jahresumsatz von gerade mal 15 Millionen Euro, Hansa Chemie ist mit 85 Millionen 5,6mal so groß. Die entscheidende Frage ist deshalb: Wie läuft die Zusammenführung ab, mit welchen Verschmelzungsquoten können Vectron-Aktionäre rechnen?
Angesichts des Umsatzes von Hansa Chemie könnte man ein Verhältnis von 1:5 ansetzen. Dann gäbe es knapp 50 Millionen Aktien. Die Marktkapitalisierung betrüge bei einem Kurs von 1,70 Euro insgesamt 85 Millionen. Viel zu hoch für ein Unternehmen, das zwei Millionen Euro Gewinn machen will. Die Gewinnverwässerung wäre enorm. Nach Ansicht von Experten ist daher maximal ein Verhältnis von 1:3 sinnvoll. Es wird sogar spekuliert, dass es zu einer Quote von 1:2 kommt. Damit wären Vectron-Aktionäre gegenüber der Schweizer Hansa-Mutter klar im Vorteil.
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Aber auch für die Mutter könnte sich ein niedriges Verhältnis schnell auszahlen siehe OHB. Bei der ähnlich gelagerten Verschmelzung von OHB Teledata mit der größeren, nicht börsennotierten OHB Systems entschied man sich sogar für ein Verschmelzungsverhältnis von 1:1. Die Börse gab der Entscheidung Recht. Der Kurs der neuen OHB kletterte kräftig, das Papier wurde für institutionelle Anleger interessant. "Ich würde es wieder so machen", sagt OHB-Chef Marco Fuchs.
Weil die Schweizer Beteiligungsgesellschaft mehr als 30 Prozent der Vectron-Aktien hält, muss sie den freien Aktionären in den kommenden Wochen ein Übernahmeangebot unterbreiten. Aber das wird voraussichtlich nur bei einem Euro je Aktie liegen, genau dem Preis, den Hansa Chemie den Altaktionären bezahlt hat. Gemessen am aktuellen Kurs ist das Angebot also alles andere als attraktiv. Zumal einige Börsianer mit noch deutlich höheren Kursen bei Vectron rechnen. DZ-Bank-Analyst Adrian Pehl empfiehlt die Aktie als "spekulativen Kauf". Einen fairen Wert der Aktie kann er allerdings noch nicht nennen. Kein Wunder: Der hängt vom Verschmelzungsverhältnis ab.
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